Für den 17.11.2015 hatte der Stadtbürgermeister zur Bürgerversammlung eingeladen, die ich u.a.  besuchte, um korrekte Auskünfte im Hinblick auf die Beschluss- und Vergabeproblematik beim Projekt „Stadt im Fluß" zu erhalten.
Dieses Projekt liegt mir vor allem deshalb am Herzen, weil es sich um eine wichtige und die Stadt Gerolstein aufwertende Maßnahme handelt und sie daher schon in meiner Amtszeit initiiert und geplant wurde. Einer der wesentlichen Gründe für die damalige Entscheidung zur Realisierung dieses Projektes waren vorausgegangene Gespräche, in denen die Möglichkeit einer hohen Bezuschussung signalisiert worden war.

Eine elementare Voraussetzung für den Erhalt der bzw. von Fördermittel/n jedoch ist, dass das erforderliche Vergabeverfahren analog der entsprechenden rechtlichen Vorschriften der VOB durchgeführt wird und abläuft.

In der Sitzung des Bauausschusses der Stadt Gerolstein am 09.09.2015 wurde zu diesem Projekt ein Beschluss gefasst,  obwohl u.a. die vorhandenen Haushaltsmittel nicht ausreichten. Daher machte  Bürgermeister Pauly von seinem Recht der Aussetzung dieses Beschlusses Gebrauch, obwohl er

merkwürdigerweise vorher die entsprechenden Sitzungsvorlagen nicht beanstandet hatte. Zudem gab es wohl Unstimmigkeiten bzw. Zweifel hinsichtlich des rechtlich korrekten Handelns im Vergabever-fahren. Aufgrund der entsprechenden Presseberichte habe ich mich dann mit dieser Thematik beschäftigt und, neben den rechtlichen Grundlagen und entsprechenden fachlichen Veröffentlichungen zum Vergabeverfahren, auch die jeweiligen und öffentlich zugänglichen Sitzungsvorlagen und Beschlüsse gelesen.

Aufgrund dieser und weiterer Informationen wollte ich in der Bürgerversammlung "aus ersten Hand", nämlich der des Stadtbürgermeisters, Antworten auf meine das Vergabeverfahren betreffenden Fragen erhalten.

Daher habe ich in der Bürgerversammlung dezidiert die m. E. bestehende Problematik des sog. "Nachverhandlungsverbotes" angesprochen und um entsprechende Auskünfte hinsichtlich des Ablaufs des Vergabeverfahrens gebeten.
Mich irritierte, dass vom Stadtbürgermeister hinterfragt wurde, dass ich die Informationen zu den Nachverhandlungsaktivitäten aus Sitzungsvorlagen bzw. aus Niederschriften bezogen habe - denn gerade er müsste doch die Niederschriften der Stadtgremien kennen, die er ja unterschreibt.
Da in der Niederschrift als Begründung für die Aussetzung des Beschlusses u.a. aufgeführt  war, dass "die Aufforderung, mit dem Auftragnehmer über Massenreduzierungen zu verhandeln, inhaltlich bedeutet, dass der Auftrag von der Angebotssumme 989.109,45 € auf die in 2015 noch vorhandenen Haushaltsmittel von rd. 770.000 €, also um rd. 220.000 €, reduziert werden sollte", habe ich nochmals gerade auf die damit faktisch beschlossene Beauftragung zu einer unerlaubten Nachverhandlung hingewiesen.
Ich habe aufgrund dieser in der Niederschrift formulierten Begründung dann mehrfach explizit nachgefragt, ob nach der Submission durch den Stadtbürgermeister tatsächlich Gespräche mit der Fa. Balter, insbesondere über Preise bzw. Preisreduzierungen, geführt worden sind.
Alle anwesenden Besuchern konnten zur Kenntnis nehmen, dass der Stadtbürgermeister diese Fragen jeweils verneint  hat - es seien mit dem Auftragnehmer "keine Gespräche über Preise oder Preisreduzierungen geführt worden".
Entgegen dieser Darstellung gab es jedoch sehr wohl Verhandlungen zwischen dem Stadtbürgermeister und der Fa. Balter. Diese führten im Ergebnis sogar dazu, dass ein bereits vom Stadtbürgermeister unterschriebener Auftrag/Zuschlag mit der auf die genau zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln von 770.000 € reduzierten Auftragssumme vorlag, der jedoch von der Verwaltung "zurückgehalten" wurde.

Die Reduzierung der Auftragssumme von rd. 989.000 € auf rd. 770.000 € war eindeutig und zweifelsfrei das Ergebnis der im Bauausschuss beschlossenen und beauftragten NACHVERHANDLUNGEN !
Es bleibt somit festzustellen, dass der Stadtbürgermeister mich und alle anwesenden Besucher der Bürgerversammlung wissentlich belogen hat, was ich als sehr bedenklich und unseriös empfinde.
Ausserdem muss die Frage erlaubt sein: Warum diese Lüge (auch wegen der im Wahlkampf propagierten „Ehrlichkeit“ und „Transparenz“) ?

Ist er sich des Verstoßes gegen die VOB bewusst ? Sollen die Nachverhandlungen „vertuscht“ werden ?

Es wurden - und das indiziert der durch den Stadtbürgermeister bereits unterschriebene Auftrag über die reduzierte Auftragssumme eindeutig - Verhandlungen mit der Fa. Balter mit dem Ziel der Reduzierung der Auftragssumme geführt, was einen eklatanten Verstoß gegen das in der VOB fixierte „Nachverhandlungsverbot" darstellt. Hierfür dürfte es unerheblich sein, ob im letztlich erteilten Auftrag/ Zuschlag diese Änderungen tatsächlich Aufnahme gefunden haben oder nicht.

Denn in der VOB ist fixiert, dass jegliche Nachverhandlung (in der Zeit von der Submission bis zur Vergabe) mit einem Bieter untersagt und nicht statthaft ist, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Transparenzgebot verstößt ! Nachverhandlungen aber haben definitiv stattgefunden !!
Konsequenterweise müsste, da auch die Verwaltung Kenntnis von den tatsächlich stattgefundenen Nachverhandlungen hatte, m. E. auch der jetzt gefasste Vergabe-Beschluss wieder ausgesetzt werden.
Andernfalls bestehen aufgrund des m. E. rechtswidrigen Handelns folgende Gefahren bzw. könnten sich folgende Konsequenzen ergeben:
1. Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahren
2. Schadensersatzforderungen
3. Rücknahme des Bewilligungsbescheids für die Fördermittel

 

Will der Stadtbürgermeister/die Verwaltung das riskieren ?

Jeder einzelne Punkt (z. B. die Rücknahme der Fördermittel von fast 900.000 €), würde für die Stadt Gerolstein eine massive finanzielle Belastung darstellen, die letztlich wieder jeden Bürger treffen würde.


Um potentielle Schäden für die Stadt Gerolstein definitiv auszuschließen, erwarte ich, dass der Stadtbürgermeister bzw. die Verwaltung die m. E. rechtswidrige Vorgehensweise des Nachverhandelns im Vergabeverfahren rechtlich prüfen lässt, um Rechtssicherheit zu erhalten. Dies kann nur im Sinne der Stadt und seiner Bürger sein.

 

Im schlimmsten Fall könnte, da der Baubeginn für die Maßnahme ja erst für das Frühjahr 2016 geplant ist, die noch zur Verfügung stehende Zeit dann für ein rechtlich einwandfreies Ausschreibungs- und Vergabeverfahren genutzt werden.

 

Bernd May